Frau Doktor von Mikowski

Frau Doktor von Mikowski

Zur Erklärung, was jetzt kommt. Ich lernte 1984 eine Frau kennen, die eine Katze hatte, die sich genau so verhielt, wie ihr Name es ausdrückt. Eine außergewöhnliche Katze. Ich schrieb es auf - aus der Sicht der Katze und veröffentlichte es in der Sport-Vereins-Zeitung, für die ich damals aktiv war. Erst als Tischtennis-Spieler, dann in der Jugendarbeit. Danach in der Öffentlichkeitsarbeit.

Der Original-Text aus dem März 1984:

"Kopf hoch, die Lauscher gespannt, da kommt wer. Um die Zeit? Der Mann, der immer die Briefe bringt, war doch schon vor meinem Frühstück (es gab schon wieder Leber-Ragout und Wasser; das reinste Katzenfrühstück) da. Jetzt ist er gleich oben. Ich hör es an den Schritten. Die Schlüssel klimpern, die Tür geht auf - ER ist es nur. Wie sieht er wieder aus. Hochroter Kopf, völlig durchgeschwitzt. Nach Atem riechend. Er war doch gar nicht lange weg. Ich war gerade eingenickt. Nicht mal in Ruhe schlafen kann man hier. Seitdem er in diesem schlabrigen Anzug rumrennt, kehrt hier Unruhe ein. Nicht mal begrüßt hat er mich. Wo ist er denn jetzt schon wieder? Mal einen Moment nicht aufgepasst und schon muss ich wieder hinterher rennen.

Ah, im Wohnzimmer, bzw. das, was davon noch übrig ist, seit hier umgeräumt wurde. Nichts ist mehr am alten Platz. Da soll sich noch einer zurechtfinden. Gebe ich darüber meinen Unmut lauthals zum Ausdruck, werde ich mit dem Entzug von Streicheleinheiten bestraft. Unfair. Immer auf die Kleinen, Schwachen. Jetzt legt er sich auf den Boden. Man, muss der kaputt sein, wenn er es nicht mal bis zum Sessel schafft. Holla, jetzt bewegt er sich. Auf Händen und Füßen. Jetzt knickt er in den Armen ein und drückt sich wieder hoch. Was soll das denn? Will er irgend etwas von mir? Ich werde mal hingehen. Vielleicht springt ja etwas für mich heraus.

Wir haben Blickkontakt. Ich sitze ihm gegenüber. Verunsichert, denn ich weiß immer noch nicht, was dieses ständige Auf und Ab bezwecken soll. Huch. Jetzt lacht er auf einmal und lässt sich fallen. Er liegt auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt und hört nicht auf zu kichern. Lacht der mich etwa aus? Was habe ich denn falsch gemacht? Ich habe ihn doch nur bei seinem lächerlich wirkenden Bewegungen zugeschaut. Das ist der Dank der Menschen, wenn ich ihnen offensichtlich Interesse zukommen lasse.

Er scheint sich wieder gefangen zu haben. Kein Lachen, kein Kichern. Aber immer noch mit hochrotem Kopf. Passiert mir nie, wenn ich schnell laufe. Der ist einfach nicht durchtrainiert. Sollte sich ein Beispiel an mir nehmen. Jeden Tag mindestens dreimal die Balkontür rauf und runter. Ohne abzurutschen.

Jetzt macht er eine andere Übung. Er hat einen Stab in der Hand und biegt sich nach allen Seiten. Wozu das denn nun wieder? Die wenigen Muskeln, die er glaubt zu haben, werden dadurch auch nicht größer. Ich werde ihm mal zeigen, was gestählte Muskeln sind: Kurzer Anlauf, rauf die Balkontür, ein schneller Blick, ob er mir auch zusieht. Ja, er tut es. Nun wieder runter, in drei Sätzen durch das Wohnzimmer in die Küche und zurück. Da staunst du, wie? Und ich bin überhaupt nicht außer Atem.

Ich werde ihn jetzt besser alleine lassen, sonst bekommt er noch den großen menschlichen Frust - und ich wieder nachher nichts Vernünftiges zu essen. Denn zweimal Leber-Ragout am Tag halte ich nicht aus. Mal in die Küche gehen und nachsehen, ob es schon was Neues gibt. Nichts. Immer noch Leber. Also jetzt werde ich ihm mal meine Meinung zu der eintönigen Zubereitung sagen - ah, da kommt er ja. Völlig außer Atem, immer noch. Er sollte in einen Sportverein gehen. Oh, er geht an den Schrank, wo mein Katzenfutter steht. Na bitte, es geht doch. Warum nicht gleich so? Außerdem steht mir gutes Essen auch zu: einer Doktor von Mikowski.

PS: Weshalb veröffentliche ich das hier? Das ist Identität, Authentizität. Und ehrliches Marketing. Manche Menschen würden das auch Storytelling nennen.

Katze, für Dich in Sachen Freiheit:



Roland Börck