Erlaubtes und Unerlaubtes im DirektmarketingInsbesondere bei Existenzgründern und jungen Unternehmen stellt sich die Frage neben dem Internet, auf welchen Wege neue Kunden gewonnen werden können. Neben der klassischen Anzeige in der Tageszeitung oder dem örtlichen Werbeblatt, dem Verteilen von Flyern gibt es das große Feld des Direktmarketings. Hier hat es vor einigen Jahren einige gravierende Veränderungen gegeben, die die Möglichkeiten des Werbetreibenden einschränken, die Rechte des Bürgers aber erhöhen. Hier die Auswirkungen für die Praxis mit den wichtigsten Kriterien.
Wissen schützt vor Strafe in der Werbung Bild: Low500 / pixelio.deDie Bürger sollen besser geschützt werdenMit der UWG-Novelle 2008 hat der Gesetzgeber die Kriterien unlauterer Geschäftspraktiken und damit auch die Anforderungen an zulässige Werbepraktiken weiter verschärft.
Werbung ist im geschäftlichen Verkehr unerlässlich. Ohne sie besteht regelmäßig kaum eine Möglichkeit, potenzielle Kunden auf das eigene Waren- oder Dienstleistungsangebot aufmerksam zu machen. Allerdings ist Werbung nicht in jeder Form zulässig. Untersagt sind belästigende Werbemethoden im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 7 UWG). Unlauter ist danach die Belästigung potenzieller Kunden durch aufdringliche, unverlangte Werbung. Diesen Grundsätzen unterliegt auch die Werbung mittels Telefon und elektronischer Kommunikationsmittel.
Dagegen ist die Werbung per Brief grundsätzlich möglich.
Ferner ist bei der Gestaltung jeglicher Werbung der neu eingeführte Katalog unzulässiger Geschäftspraktiken („Schwarze Liste“), der sich im Anhang zum UWG findet, zu beachten. Erfüllt die Werbung einen der dort genannten 30 Tatbestände, so ist dies grundsätzlich unzulässig, unabhängig von einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls.
TelefonwerbungVon einem Fernsprechteilnehmer nicht erbetene Anrufe zu Werbezwecken sind als aufdringliche und belästigende Werbung anzusehen. Anrufe (Kaltanrufe), um Neukunden zu gewinnen, sind daher wegen Kundenfangs durch Belästigung nach § 3, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG unlauter und verboten (ausführlich begründetes Urteil des OLG Frankfurt vom 24.7.03).
Ausnahmen gelten nur dann, wenn der Angesprochene selbst um den Anruf gebeten hat. Verbraucher müssen vor dem Werbeanruf ausdrücklich ihre Einwilligung erklärt haben.
Für Werbeanrufe gegenüber sonstigen Markteilnehmern ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG die mutmaßliche Einwilligung des Adressaten ausreichend. Nach dem Urteil des BGH vom 16.11.06, I ZR 191/03 ist bei der Frage, ob bei einer Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern, die nicht Verbraucher sind, von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgegangen werden kann, auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen. Der allgemeine Sachbezug mit den von dem angerufenen Unternehmen angebotenen Dienstleistungen reicht für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung nicht aus. Anderenfalls wäre Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden mit seinen belästigenden und deshalb nicht generell hinnehmbaren Folgen nahezu unbeschränkt zulässig.
Bei Verstößen gegen das Verbot der unerlaubten Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern droht nunmehr eine Geldbuße bis zu 50.000,-- Euro.
WiderufsmöglichkeitenAuch Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotterie-Dienstleistungen können nunmehr widerrufen werden, so wie es bislang schon bei allen anderen Verträgen möglich ist, die Verbraucher am Telefon abgeschlossen haben. Es kommt für das Widerrufsrecht nicht darauf an, ob der Werbeanruf unerlaubt war. Die Vorschrift ermöglicht einen Widerruf, aus welchen Gründen auch immer.
Wenn der Verbraucher einen Vertrag fristgerecht widerrufen hat, braucht er ihn nicht zu erfüllen. Die Widerrufsfrist beträgt abhängig von den Umständen des Einzelfalles - zwei Wochen oder einen Monat und beginnt nicht, bevor der Verbraucher eine Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform (etwa als E-Mail oder per Telefax) erhalten hat. Bei unerlaubten Werbeanrufen beträgt die Frist regelmäßig einen Monat.
Bei untergeschobenen Verträgen, einschließlich der sogenannten Kostenfallen im Internet, gilt:
1. Wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht in Textform belehrt wurde, kann er Verträge über Dienstleistungen, die er am Telefon oder im Internet abgeschlossen hat, widerrufen. Bislang gibt es in solchen Fällen kein Widerrufsrecht mehr, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers begonnen oder der Verbraucher die Ausführung selbst veranlasst hat.
2. Widerruft der Verbraucher einen solchen Vertrag, muss er die bis dahin vom Unternehmer erbrachte Leistung nur dann bezahlen, wenn er vor Vertragsschluss auf diese Pflicht hingewiesen worden ist und er dennoch zugestimmt hat, dass die Leistung vor Ende der Widerrufsfrist erbracht wird.
RufnummernunterdrückungGenerell darf bei der Telefonwerbung die Rufnummer nicht unterdrückt werden, um die Identität des Anrufers zu verschleiern. Dabei kann entweder die Rufnummer eines beauftragten Call-Centers oder des werbenden Unternehmens selbst angezeigt werden.
Verstöße gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung können mit Geldbußen bis zu 10.000,-- Euro geahndet werden.
TelefaxwerbungTelefax-Geräte sind heute im geschäftlichen wie im privaten Bereich so stark verbreitet, dass man als Werbender auf diesem Wege praktisch flächendeckend den potenziellen Kunden erreichen kann. Im Unterschied beispielsweise zu Postwurfsendungen muss aber hier der Empfänger das Gerät einschließlich des Papiers und des Toners ständig betriebsbereit halten, um Telefaxe empfangen zu können. Das Gerät ist beim Eingang von Werbeschreiben vorübergehend blockiert und kann kein anderes Fax empfangen.
Mit der UWG-Novelle wird die bisherige Rechtsprechung, nach der in der unverlangten Zusendung von Werbefaxen in der Regel eine unzumutbare Belästigung des Empfängers zu sehen war, in § 7 Abs. 2 Nr. 3 Fall 2 UWG bestätigt. Diese Werbemethode ist grundsätzlich als unzumutbare Belästigung anzusehen.
Nur ausnahmsweise ist diese Form der Werbung zulässig, nämlich wenn der Empfänger ausdrücklich mit der Übersendung einverstanden ist. Die bisherige Praxis, nach der auch bei einem mutmaßlichen Einverständnis aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Telefaxwerbung zulässig war - etwa wenn Absender und Empfänger in einer laufenden Geschäftsbeziehung stehen und deshalb ein Interesse des Empfängers an neuen Angeboten seines Vertragspartners besteht - kann nach der UWG-Novelle wohl keinen Bestand haben. Das Gesetz nennt nur die ausdrückliche Einwilligung als Ausnahmetatbestand, die Sonderregelung in § 7 Abs. 3 UWG erfasst Telefaxwerbung nicht. Fehlt ein ausdrückliches Einverständnis des Empfängers, so ist die Fax-Werbung grundsätzlich wettbewerbswidrig und daher unzulässig.
E-Mail-WerbungNicht wesentlich anders sieht es bei der Werbung durch E-Mail (die sog. "Junk Mail" oder "SPAM") via Internet aus. Zwar muss der Empfänger das Gerät hier nicht ständig betriebsbereit halten und es ist beim Eingang einer E-Mail auch nicht vorübergehend blockiert. Allerdings wird eine E-Mail nicht unmittelbar an den PC des Empfängers zugestellt, sondern dieser muss sie sich aus seinem Postfach beim Provider herunterladen. Ist die E-Mail nicht bereits im Betreff bzw. im E-Mail-Header als Werbung gekennzeichnet, so bleibt dem Empfänger nichts anderes übrig, als sämtliche eingegangenen Mails aufzurufen und zu lesen, da er erst dann feststellen kann, dass es sich um Werbung handelt. Dabei entstehen die üblichen Telefonkosten für die Verbindung zum Provider.
Dieses vor allem zeit- und bisweilen kostenaufwendige Aussortieren ist grundsätzlich als unzumutbare Belästigung des Empfängers anzusehen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 Fall 3 UWG) und daher wettbewerbswidrig. Ähnlich wie Telefax-Werbung ist E-Mail-Werbung nur in Ausnahmefällen erlaubt:
Die Werbung ist zulässig, wenn der Empfänger sein Einverständnis vorher ausdrücklich erklärt hat (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Ferner ist die E-Mail-Werbung zulässig, wenn alle 4 Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG vorliegen. Der Unternehmer muss die elektronische Postadresse des Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden erhalten haben (1), der Unternehmer verwendet die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen (2), der Kunde hat der Verwendung nicht widersprochen (3) und der Kunde wird bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen (4). Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, ist die E-Mail-Werbung auch zulässig, wenn der Empfänger sich auf eine Verteilerliste (Mailing-list) des Absenders hat setzen lassen und ein direkter thematischer Bezug der konkreten E-Mail-Werbung zum Gegenstand dieser Liste besteht. Unzulässig ist daher eine Werbung via E-Mail, wenn der Empfänger sich in eine Verteilerliste für Computerspiele hat eintragen lassen und ihm daraufhin Werbung für eine Kapitalanlageberatung übermittelt wird.
Werbung per BriefDagegen ist die Werbung per Brief grundsätzlich möglich, wenn keine der in der „Schwarzen Liste“ aufgeführten Tatbestände erfüllt ist und keine unzumutbare Belästigung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG) vorliegt.
Briefkastenwerbung mit Werbewurfsendungen (Werbebriefe, Handzettel, Prospekte u. a.) ist grundsätzlich zulässig. Hat allerdings der Empfänger einer individuell gestalteten Briefwerbung den Werbenden aufgefordert, von weiteren Werbesendungen abzusehen, ist dieser Wunsch zu respektieren (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UWG). Auch der Aufkleber am Briefkasten muss beachtet werden, mit dem sich eine Person gegen den Einwurf von Werbematerial und Anzeigenblättern wehrt.
Eine Werbung per Brief ist irreführend, wenn dem Empfänger suggeriert wird, es handle sich nicht um eine werbliche Maßnahme, sondern die persönliche Empfehlung eines Bekannten oder Freundes, z. B. durch eine handschriftliche Haftnotiz.
Konsequenzen wettbewerbswidriger WerbungEbenso wie alle anderen unlauteren Werbemethoden begründet auch der Verstoß gegen die oben genannten Grundsätze der Werbung per Telefon, Telefax und E-Mail einen Unterlassungsanspruch gegen den Werbenden. Dieser Anspruch kann zunächst im Wege der Abmahnung, in letzter Konsequenz aber auch gerichtlich geltend gemacht werden. Bei schuldhafter Verletzung der § 3, 7 UWG kann nach § 9 UWG eine Schadensersatzpflicht gegenüber Mitbewerbern bestehen, nach § 10 UWG kann der Gewinn aus der unzulässigen geschäftlichen Handlung abgeschöpft werden.
PS: Die Kommunikation zwischen zwei Menschen kann mit einer E-Mail, einer SMS, einem Newsletter beginnen. Erfolgreich wird es erst dann, wenn gehört und gesehen wird. Mimik und Gestik haben was.
Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.
Roland Börck